Klar,
dass wir uns an die Sturmflut erinnern, die uns in Kehdingen
im Februar 1962 heimsuchte!
Die
Nacht vom 16. zum 17. Februar 1962 steckte uns auch noch Wochen
danach in den Knochen. Unsere Mittelschule in Freiburg war nicht
direkt betroffen. Viele Elternhäuser unserer Schulfreundinnen
und Schulfreunde waren aber sehr schwer getroffen. In der Schulchronik
hat unser Rektor Rudolf Meyer alles genau dokumentiert.
Unser
Schulfreund Erich Scholvin war am nächsten Morgen nach
der Sturmflutnacht mutig: er schlug sich von Wechtern nach Freiburg
durch. Andere Schulfreundinnen und Schulfreunde ebenso.
Erich's
Erinnerungen an diesen bemerkenswerten "Nicht-Schultag":
«Auch
am Samstagmorgen war es noch stürmisch, ich ging aber wie gewohnt
zur Bushaltestelle bei Anna Werner in Wechtern , Gaststätte
und Gemischtwarenverkauf.. Der Schülerbus fuhr auch nach Freiburg
, aber nicht so viele Schüler wie gewohnt waren drin. Wir stiegen
an der Freiburger Post aus.
Auf
dem Fußweg zur neuen Mittelschule kamen wir im Bereich Schlachter
Ebeling an einen "Fluss", den wir einigermaßen trockenen Fußes
noch überqueren konnten. Es schwammen Kisten und Gegenstände
darin. Grund war eine Überspülung vom Hafen her; Nähe Hafenhaus
Klaus Mügge (Kaufmann) war das Wasser vom Hafen wohl einfach
"oben drüber" gelaufen, konnte man gar nicht glauben.
In
der Mittelschule geriet ich in eine kleine Schülergruppe, die
von Lehrer
Alfred Schöning versorgt wurde. Herr Schöning unterhielt
sich mit uns über die Abläufe der Nacht, vieles war unklar,
auf jeden Fall war Herr Schöning da aber ruhig (sonst war er
ja immer sehr nervös), und sehr nett, das war mir aufgefallen
und in Erinnerung geblieben.
Nach
nicht allzu langer Zeit (15 Minuten?) entschied die Schule,
die wenigen Schüler, die gekommen sind, müssen wieder nach Hause.
Dann standen wir also wieder bei der Post, aber es fuhr kein
Bus Richtung Itzwörden. Da tauchte unsere Lehrerin
Fräulein Maria Rincke auf, es stürmte noch und sie meinte,
die Kinder müssen doch wieder nach Hause, es passierte aber
nichts, wie auch? Da hat sich Fräulein Rincke mitten auf die
Straße gestellt und so Autofahrer gen Itzwörden gestoppt und
dafür gesorgt, dass wir mitgenommen wurden, unvorstellbar, klappte
aber. Das ist nun bald 60 Jahre her. Wahnsinn…»
Udo
Harrjus, damals in der 2. Klasse der Grundschule Freiburg (Elbe),
erinnert sich bei diesem Bild: «Ich
wohnte damals in der Allwördener Straße. Wir wunderten
uns über den Krach auf der Straße. Es gab aber kein
Sirenengeheul und auch die Kirchglocke läutete nicht. Wäre
das Wasser bei uns über den Deich gelaufen, wären
wir ohne Vorwarnung abgesoffen. Die Elternhäuser meiner
Schulfreunde Rehling, Raap und von Borstel waren aber schwer
beschädigt worden und auch die Spielsachen meiner Freunde
waren futsch. Später erhielten sie aber jeder einen großen
Karton mit Spielzeug als "Entschädigung"»
In
Balje war die Aufmerksamkeit, auf das was kommen konnte, früher
zu erkennen gewesen. Kunibert Fahl, damals Balje, jetzt Eppstein,
Abgangsjahrgang Ostern 1966, hat noch heute ganz klare Erinnerungen
an den Abend und die Nacht der Sturmflut:
«Um
fünf Uhr abends wurde in Balje geläutet; Feierabend! Und da
konnte ich aus den Turmluken das kommende Wasser schon sehen.
Am Sommerdeich war es schon fast über die Deichkrone hoch. Das
habe ich mir eine Viertelstunde angesehen und dann hab ich einfach
ein zweites Mal geläutet. Das war nicht üblich, aber Gefahr
haben die Balje damals dadurch noch nicht erkannt. Nur der Küster
fragte, was denn los sei? Aber "offiziell" wurde in Balje erst
so gegen 22 Uhr Großalarm mit den Feuersirenen ausgelöst.
Blick auf
Kirche Balje vom Außendeich her ein paar Tage nach der
Sturmflut
Zuhause
waren meine Eltern sehr besorgt. Ich half meinem Vater, der
Chef der Baljer Volksbank war, die Akten der Bank vom Keller
in unsere Wohnung in den 1. Stock zu bringen.
Unsere Nachbarn, die Bäckerfamilien Stuhr, waren inzwischen
zu uns gekommen. Unser Volksbankhaus war neu gebaut und sah
auch sehr verlässlich aus - und da hofften wir alle, dass bei
einer Überflutung über den Winterdeich unsere Bank sicherer
wäre.
Natürlich
war ich neugierig und etwas wagemutig: also nochmals auf den
Deich und auf die Wasserwüste in den Außendeich geschaut. Brr.,
war schon schaurig. Bisamratten rasten über den Deich oder kletterten
auf die Weiden vorm Deich. Der Wind pfiff gewaltig. Mein Vater
holte mich dann rein und es ging trotz allem zu Bett. Am nächsten
Tag wäre ja schließlich Schule. Tatsächlich kam dann am nächsten
Morgen der Schulbus. Aber es waren nur fünf Schulfreunde drin.
In Freiburg sah es schlimm aus. Das Wasser stand überall in
den Straßen. Die Pflasterung war aufgerissen. Im Freiburger
Hafen hatte die Flut Schiffe auf die Kaimauer gehoben.»
Bemerkenswert
und riesig war die Hilfsbereitschaft, die wir Kehdinger gleich
nach der Sturmflut erlebten. Insbesondere in der Region Freiburg
im Breisgau liefen mehrere große Spendenaktionen an. Dort
war unsere Lehrerin Johanna Demant seit ein paar Jahren an der
Neuburg-Schule tätig. Mehr
über die unglaubliche Hilfsbereitschaft aus der dortigen
Region gibt es durch Klick auf diese Zeile...
Zur
Erinnerung an die Sturmflut 1962 wurde am 18. Juni 2019 in unserem
Mittelschulort Freiburg (Elbe) das Sturmflutdenkmal beim Kornspeicher
eingeweiht:
Diese
vom Mulsumer Künstler Gerd Rehpenning und dem Hesedorfer
Kunstschmied Ralf Schiefelbahn geschaffene Denkmal erinnert
uns und unsere Kinder und Enkelkinder an die Sturmfluten, die
unsere Kehdinger Schulheimat heimsuchten. An die 1962iger Sturmflut
erinnern wir uns ganz, ganz persönlich. Das Sturmflutdenkmal
stellt einen stilisierten Deich dar, der einer mächtigen Flutwelle
trotzt.
Über
die Hilfsbereitschaft der Region Freiburg im Breisgau könnt
ihr dieses lesen...
Durch
Klick auf diese Zeile könnt ihn lesen, was über die
Sturmflut in der Chronik unserer Mittelschule dokumentiert wurde...
Ein
Sturmflut-Special aus Anlass des 60. "Jahrestags"
der Sturmflut gibt es durch Klick auf diese Zeile...
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01.03.2024